Wie man den Indikator nutzt
Da der sentix Zeitdifferenz Index ein Maß dafür ist, wie stark die Emotionen der Anleger zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen deren Grundüberzeugung (Ratio) stehen, eignet er sich zum Timing für den Ein- oder Ausstieg in bzw. aus dem jeweiligen Markt. Denn wenn die Emotionen die Ratio dominieren und Anleger kurzfristig anders handeln, als es gemäß ihrer längerfristigen Wertwahrnehmung folgerichtig wäre, ist das eine ideale Chance für Contrarian-Investoren.
Ein Beispiel: Die Investoren weisen einen überdurchschnittlich hohen Strategischen Bias für Aktien auf, sind also davon überzeugt, dass die Kurse mittelfristig steigen werden. Aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage und der jüngsten Preisbewegungen gibt es aber Ängste, die sich in einem schwachen Sentiment widerspiegeln. Idealtypischer Weise reduzieren Anleger dann in der Breite kurzfristig ihre Aktienbestände, obwohl ihre Wertwahrnehmung der Assetklasse weiterhin positiv ist. Der sentix Zeitdifferenz Index nimmt in einer solchen Situation ausgeprägt niedrige Werte (niedriges Sentiment abzüglich hohen Strategischen Bias) an und signalisiert damit eine Kaufgelegenheit.
Für den konkreten Umgang mit dem Indikator heißt das: Nimmt der Zeitdifferenz Index außergewöhnlich hohe Werte an, ist das ein Signal für eine unmittelbar anstehende Schwäche des betrachteten Finanzmarkts. Im umgekehrten Fall, wenn der Zeitindifferenz Index extrem niedrig notiert, stellt das in aller Regel eine gute Chance zum Markteinstieg dar. Dabei sind die Schwellenwerte, ab denen der Index anschlägt, von Markt zu Markt unterschiedlich. Für deutsche Aktien hat z.B. in den letzten Jahren ein Zeitdifferenz Index von nahe oder über 0,25 gute Verkaufssignale gegeben, ein Indexwert von unter -0,50 Kaufsignale. Für das Währungspaar EUR-USD lagen die Schwellenwerte hingegen bei +0,30 bzw. -0,4 (s. hierzu die Anwendungsbeispiele). Als Faustregel gilt: Liegen die Werte absolut gesehen um rund 1,5 Standardabweichungen vom jeweiligen Mittelwert entfernt, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Zeitdifferenz Index ein verwertbares Signal liefert.
Eine fruchtbare Ergänzung zum Zeitdifferenz Index stellt der sentix Overconfidence Index dar. Dieser gibt an, wie einseitig ein Markt in der jüngsten Vergangenheit in eine Richtung gelaufen ist. Er ist somit ein Maß dafür, wie stark die Anleger einen Markt als „einseitig“ wahrnehmen. Mit der wahrgenommenen Einseitigkeit steigt auch die Überschätzung der eigenen Prognosefähigkeiten (die „Overconfidence“) seitens der Anleger. Deshalb ist der Overconfidence Index – wie der Zeitdifferenz Index – konträr zu interpretieren: Weisen beispielsweise beide Indikatoren besonders hohe Werte aus, ist das ein Zeichen dafür, dass der betrachtete Markt demnächst zur Schwäche neigen wird. Denn gemessen an ihren eigenen Grundüberzeugungen sind die Anleger in einer solchen Situation kurzfristig zu euphorisch, Kurzsichtigkeit dominiert ihr Handeln. Löst sich die Euphorie in der Folge auf, werden die Aktionen der Anleger wieder stärker von deren längerfristigen Grundüberzeugungen bestimmt.
Auch die Datenreihen des sentix Styles Index und des sentix Risikoaversions Index können wichtige Zusatzinformationen bei der Bewertung des Zeitdifferenz Index liefern. Sie geben Auskunft über die Risikofreude der Investoren. Ist diese z.B. schon ungewöhnlich hoch, wäre das ein Signal für eine mögliche Sorglosigkeit, die sich unter den Investoren ausgebreitet hat und die auch Treiber hinter einem hohen Zeitdifferenz Index sein kann. Im obigen Beispiel des extrem hohen Zeitdifferenz Index würde ein niedriger Risikoaversions Index den Befund ausgeprägter Kurzsichtigkeit bestärken.
Für Aktien- und Rentenmärkte kann der sentix Zeitdifferenz-Index zudem kombiniert werden mit der sentix Anlegerpositionierung. Diese zeigt an, wie stark die Anleger in der Breite in einem Markt (gemessen an ihren Benchmarks) investiert sind. Im oben gewählten Beispiel eines hohen Zeitdifferenz Index passt eine ebenfalls hohe Positionierung in das Bild einer von Kurzsichtigkeit geprägten Anlegergemeinde. Sie kann dann als Indiz dafür verstanden werden, dass weite Teile der Investoren ihren kurzfristig hohen Optimismus (der im Widerspruch zur längerfristigen Überzeugung steht) bereits in entsprechende Wertpapierkäufe umgesetzt haben oder aber die kurzfristig sehr gute Stimmung u.U. auf Wunschdenken ob eingegangener Positionen resultiert. In beiden Fällen ergibt sich aus der hohen Positionierung ein Kursrisiko, das spätestens dann schlagend wird, wenn sich die momentane Euphorie wieder verflüchtigt und die Grundüberzeugungen der Anleger stattdessen stärker in den Vordergrund treten.
Die konkrete Entscheidung zu Engagements am Aktienmarkt wird ferner erleichtert durch Berücksichtigung des sentix Sektor Sentiment. Dieser Index ermöglicht es dem Anleger, zwischen den einzelnen Branchen des Aktienmarktes sentimenttechnisch zu differenzieren. Für die Rentenmärkte bietet der sentix Laufzeit-Präferenz Index zusätzliche Orientierung.
Für Intermarket-Betrachtungen sollten die Zeitdifferenz Indizes für die einzelnen Finanzmärkte idealer Weise zunächst in Z-Scores überführt werden, um sie dann besser miteinander vergleichen zu können.
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