27. Juni 2016
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sentix Euro Break-up Index News
Das unerwartete Votum der britischen Bürger, die Europäische Union verlassen zu wollen, dürfte auch das Fundament des Euros erneut schwer erschüttern. Fast ein Drittel aller Befragten Investoren halten es nun wieder für möglich, dass die Eurozone binnen zwölf Monaten auseinanderbrechen könnte. Zudem tauchen neue Austrittskandidaten am Horizont auf.
Im Rahmen unserer turnusmäßigen Euro Break-up Umfrage hätten wir das Timing nicht besser wählen können. Dass es jedoch zu einer erdbebenartigen Entscheidung des britischen Volkes kommen würde, war zuletzt eher unwahrscheinlich geworden. Umso stärker fiel der Schock für die von sentix befragten Anleger aus. Naturgemäß kommt es in einer solchen Situation oftmals zu einer Überreaktion. Wir haben deshalb das Votum der mehr als 1.300 befragten Anleger zeitlich getrennt ausgewertet und präsentieren Ihnen heute die Ergebnisse unterteilt in drei Phasen:
- Phase 1: Der Tag vor dem Brexit (da sentix die Befragung für Privatanleger bereits am Donnerstagnachmittag startet, stehen für diese Anlegergruppe entsprechende Informationen zur Verfügung)
- Phase 2: Die ersten Stunden nach dem Brexit (was waren die ersten Impulse der Anleger, gemessen an den Stimmen, die ab Brexit bis 10.30 Uhr am Freitag abgegeben wurden)
- Phase 3: Die Zeit danach bis zum Schluss der Umfrage am Samstag
Betrachten wir zunächst den Gesamtwert des sentix Euro Break-up Index (nach Anlegergruppen):
Ohne den Brexit-Entscheid hätte sich der EBI wohl kaum nennenswert verändert (siehe Phase 1, linke Grafik). Die unmittelbare Reaktion auf die Nachricht, dass es tatsächlich zum Brexit kommt, hat dann zu einer schockartigen Erhöhung der wahrgenommenen Euro-Break up-Wahrscheinlichkeit geführt (Phase 2). In den nachfolgenden Stunden haben sich die Gemüter beruhigt, es verbleibt aber eine signifikante Erhöhung des EBI-Wertes von 12,3% auf 27,2%.
Wer vermutet, dass es die altbekannten Länder sind, die als Austrittskandidaten nun wieder gehandelt werden, der sieht sich nur bedingt bestätigt. Exemplarisch betrachten wir die nationalen EBI-Werte wieder unterteilt nach den Phasen 1-3. Es handelt sich um die Erwartungen der Privatanleger, die Werte der Profis unterscheiden sich aber nicht grundlegend.
Prinzipiell entspricht die Reaktion der nationalen EBI-Werte dem Muster im Gesamtindex. Es gibt aber ein paar interessante Abweichungen. Erstens steigen vor allem die Werte für die Niederlande sprunghaft an und erholen sich weit weniger stark, als es der Gesamtindex signalisiert. Gleiches gilt für Italien und Spanien, wenngleich hier die EBI-Werte deutlich unter denen der Niederlande liegen. Zweitens bleibt Griechenland im Fokus, Zypern dagegen zeigt kaum eine negative Reaktion. Und drittens überraschen die deutschen EBI-Werte durch ihre absolute Unauffälligkeit.
Zu Zeiten der schuldengetriebenen Euro-Krise lagen die deutschen EBI-Werte immer auf erhöhten Niveaus. Die Anleger hielten es in der Diskussion um Geld und Schulden durchaus für vorstellbar, dass Deutschland den Euro-Klub verlassen könnte, wenn es die Griechen nicht tun würden.
Der Brexit wird offenbar als anders gelagertes, in erster Linie politisches Problem gesehen. Hier erscheint es den Anlegern sehr unwahrscheinlich, dass Deutschland in irgendeiner Form als Treiber der Entwicklung fungieren würde. Dies dürfte für die Kapitalmärkte eine wichtige Botschaft sein, da Bundesanleihen aus dieser Krise weit weniger „Honig“ ziehen dürften, als es in der Griechenland-Krise der Fall war.
Per Saldo hat sich durch das Brexit-Votum jedoch nicht nur die Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderbrechen des Eu-ros erhöht, sondern steigen auch die Ansteckungsrisiken. Der sentix Contagion Risk-Index springt von 24,9% auf 30%. Die Eurozone wird also durch den Brexit einer harten Belastungsprobe unterzogen und politische Risiken werden wieder prägend für den Euro-Wechselkurs. Und dies zu einem Zeitpunkt, wo das Bundesverfassungsgericht der EZB zumindest das Instrument des „OMT“ praktisch entzogen hat.