10 June 2011
Wie lange dauert es eigentlich, bis die aktuelle Krise bei Zuschauern und Beteiligten den Eindruck verfestigt, außer Kontrolle zu sein? Es ist jedenfalls ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, welches die Protagonisten der Solvenzkrise vollführen. Jüngstes Beispiel ist die Kehrtwende der EZB. Diese geht nun klar auf Distanz zur Politik und verweigert sich weiteren Hilfsangeboten.
Die Tatsache, dass die EZB nun schon in der 10. Woche in Folge keine Staatsanleihen mehr gekauft hat, kann auch so verstanden werden, dass dieses Programm schon längst inoffiziell beerdigt ist. Die Euro-Staatsanleihe-Märkte stünden dann ohne "buyer of last ressort" da. Die Entwicklung der Zinsdifferenzen zwischen den einzelnen Staatsanleihe-Märkten in Europa jedenfalls ist besorgniseregend. Ein Sprung der 10jährigen spanischen Zinsen über die 5,5%-Marke wäre ein signifikantes Ereignis (akt. 5,47%).
Auch die Politiker agieren zunehmend nicht nur plan- und kopflos, sondern müssen mit Rücksicht auf ihre Wähler im Lande mehr und mehr auf Stimmungen und Ressentiments Rücksicht nehmen. Fatal in einer Zeit, wo ein Konsens gesucht wird Die EHEC-Krise hat es auf einem anderen Feld deutlich gemacht: der Ton wird rauer, die Reizschwellen sinken.
Aber auch jenseits des Atlantiks bauen sich neue Probleme auf. Der Kampf in den USA um eine Anhebung des Schuldenlimits erfolgt zeitgleich mit einem erneuten Abgleiten der USA in die Rezession (siehe sentix Konjunkturindex). Die Politik müsste eigentlich mehr Geld ausgeben, wird aber zur Konsolidierung gedrängt. Die FED müsste angesichts des erneut einsetzender Renditeverfalls (die nächste Deflations-Diskussion wird nicht mehr lange auf sicht warten lassen) mit der Planung für QE3 beginnen, wird dies aber aufgrund der absehbar kritischen Signalwirkung verzögern.
Und last but not least gibt es in Japan einen noch immer außer Kontrolle befindlichen Atomreaktor, der erst jüngst die höchsten Strahlenwerte seit dem Gau ablieferte. Ob der Wind dauerhaft so günstig bleibt, wie seit der Fukushima-Katastrophe oder am Ende doch neue Hiobsbotschaften von dort die Anleger an ein signifikantes, ungelöstes Problem erinnern, mag durchaus fraglich sein.
Für dieses Maß an dramatischen, eine zunehmende Eigendynamik entwickelnde Ereignissen präsentieren sich Märkte und Anleger in erstaunlich gelassener Verfassung. Wenn sich das nicht rächt.