24 July 2011
You can ignore reality - but ultimately you can't ignore the consequences of ignoring reality - Ayn Rand
Es gab eine Zeit in der europäischen Schuldenkrise, vor ca. einem Jahr, da galten die Wolfsrudel der Kapitalmärkte (die Hedgefonds und andere "spekulative Anleger") als etwas Schreckliches, als etwas, dass es zu verjagen galt.
Das ist seit den Beschlüssen der Regierungschefs von dieser Woche anders - man findet, wahrscheinlich mangels finanzmarkttechnischem Sachverstand sogar unwissentlich, gefallen daran, die Wölfe wieder anzulocken!
Denn was bedeuten die Beschlüsse mit den angekündigten Offerten (a) Umtausch bei ca. 20% Abschlag auf den Nennwert und (b) Rückkaufangebot am Sekundärmarkt wohl für diese Anlegergruppe wenn die Marktkurse je nach Laufzeit bei ca. 50-70% notieren? Eine wunderbare Gelegenheit, auf Kosten des Steuerzahlers Geld zu machen.
In der ersten Phase passiert etwas für die Politiker höchst Willkommenes: die Wölfe kaufen die Bonds zu Stresspreisen am Markt auf und treiben die Preise in die Höhe. Das tun sie unabhängig davon, ob die Beschlüsse wirklich die Probleme lösen, einfach weil es eine praktisch sichere Spekulation ist. Da die Politik sich dazu entschlossen hat, unter keinen Umständen das Problem wirklich zu lösen sondern an allen Fehlkonstruktionen festzuhalten ("ignoring the reality"), könnte man ja auf diesen Willen vertrauen. Der EFSF-Fonds ist mit 700 Mrd. dotiert und noch kaum in Anspruch genommen, also dürfte "Platz" für die ca. € 150 Mrd. an griechischen Schulden sein, die in den nächsten Jahren zur Refinanzierung anstehen.
Durch die steigenden Preise formt sich bei der "Allgemeinheit" ein Eindruck: die Beschlüsse greifen, wir befinden uns auf dem richtigen Weg! Man konnte es bereits am Donnerstag in den Nachrichten vernehmen und es zeigt sich auch in den Kommentaren von Ökonomen danach: praktisch niemand sieht die Beschlüsse als Problemlösung, aber alle sind ganz voll lobender Worte.
Doch wahrscheinlich freut sich die Öffentlichkeit und die Politik zu früh. Denn die Preise klettern weiter bis zu zwei interessanten Levels. Level 1 liegt etwa auf dem "Wert" der Umtauschofferten. All die "freundlichen Banker und Versicherer", die sich an der Problemlösung ja durch "Verzicht" beteiligen wollen, haben plötzlich die Option, statt eines Tausches zu Marktpreisen zu verkaufen. Sollte just zu dieser Zeit die Politik gerade beschlossen haben, ihre Option 2 - den Rückkauf - zu starten, stehen neben den Wölfen sogar weitere Käufer für die Privatgläubiger bereit. Statt also die Schulden zu strecken, dürfte diese Anlegergruppe nun eher die Bonds verkaufen. Das Ergebnis wird also sein, dass immer mehr Anleihen beim EFSF landen und die Schuldenreduzierung durch den Rückkauf kaum mehr als 20% betragen dürfte. Insgesamt reduzieren sich Griechenlands Schulden um weniger als 30 Mrd.
In dieser Phase dürften zwar einige der Wölfe Gewinne mitnehmen, andere dürften aber darauf spekulieren, dass die Politik die Bonds planmäßig tilgen muss. Denn derzeit ist ja keine Rede von einem Zwangsumtausch, wie er zum Beispiel nach einem "echten" Default in einer Gläubigerversammlung beschlossen werden könnte. Wir haben es hier mit einem politischen Beschluss unter sehr selektiver Beteiligung einiger "Top-Banker" zu tun, der für einen Hedgefonds oder sonstigen Anleger keine Bindung hat. Letztlich könnten alle Gläubiger, ob Wolf oder Banker, auf eine planmäßige Tilgung setzen, welche die Politik wohl faktisch betreiben muss, will sie nicht binnen weniger Monate doch die unkontrollierte Insolvenz riskieren. Damit erhalten die Wölfe eine ganz fette Dividende zu Lasten der Steuerzahler und die effektive Schuldenreduktion beträgt deshalb wohl deutlich weniger als 20%!
Doch nicht genug! Was macht ein "gewissenhafter" Wolf, der einen so "riskanten" Trade macht? Er hedged sich trotzdem. Der beste Hedge ist aber nicht, die Bundesanleihen zu shorten. Der beste Hedge ist, belgische oder italienische Staatsanleihen zu verkaufen und mit diesem Geld Anleihen von Griechenland, Portugal oder Irland zu erwerben. Denn wenn das EU-Manöver scheitert, sind die Verluste hier sicher größer, als bei Griechenbonds, die schon bei 50% notieren.
Die Wölfe sahnen also bei Greece & Co. richtig ab und halten die Politik über Italien & Co. in Atem. Solange hier die Probleme akut bleiben, wird die Politik weiter in gewünschter Art und Weise "funktionieren"!!!
Das ist also das Ergebnis des vielbejubelten Gipfels vom Donnerstag! Unglaublich, unfassbar, unerträglich. Aber weil es ja vermeintlich der Politik dient, werden die Wölfe bejubelt. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund"
Doch diese Geschichte hat kein Happy End für die Politik. Das Ergebnis dieses Prozesses, sofern er nicht noch durch einen Bundestagsbeschluss oder ein anderes Event ausgehebelt wird (was zu hoffen ist!), ist, dass die 700 Mrd. EFSF-Gelder für die Anleihen Griechenlands, Portugals und Irlands eingesetzt werden, die Wölfe ihren Reihbach machen und die Banken und Versicherer sich ihrer "unerwarteten" Wertaufholungen erfreuen - jedoch "ganz unerwartet" die Wölfe trotzdem nicht ihre Shorts in Italien & Co. eindecken, sondern im Gegenteil - mit Verweis auf das zu geringe Volumen des EFSF - nun noch mehr Italien & Co. shorten! Die Ratingagenturen, die anfangs den EFSF natürlich AAA einstufen, werden nun mit Hinweis auf die schwindende Schuldentragfähigkeit von Italien & Co. sowohl diese Länder, die ja auch am EFSF beteiligt sind, als auch zunehmend das Konstrukt EFSF hinterfragen. Und dann? "Ultimately, you can't ignore the consequences of ignoring the reality!"
Prof. Shiller, Yale University, hat am 22.7. in der Börsen Zeitung zu recht darauf hingewiesen, dass eine wie auch immer geartete Schuldengrenze in % des BIP als Marktbarometer nicht taugt und die Schuldenkrise vor allem deshalb eine solche Dynamik erfahren hat, weil es um selbstverstärkende Wahrnehmungsprozesse geht. Vertrauen ist wie ein scheues Reh, es ist leicht verloren und schwer wieder zu erlangen. In weiten Teilen der Bevölkerung ist dieses Vertrauen so stark beschädigt worden, dass es durch einen "faulen Zauber" nicht zurückkehren wird.