Das Gleichgewicht des Schreckens wankt

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Spätestens seit dem letzten Wahlwochenende dämmert es den meisten Anlegern: in der Euro-Zone ist eine neue Phase angebrochen. Für den Euro beginnt ein neues Kapitel, in seiner bisherigen Zusammensetzung vielleicht schon das Letzte.

Seit mehr als einem Jahr bezeichnen wir die Wechselkurs-Relation EUR-USD als "Gleichgewicht des Schreckens". War für uns bis Mitte 2010 aufgrund der absehbar expansiven Notenbankpolitik (quantitative easing) der US-Dollar das Schreckgespenst, zog der Euro im Zuge der sich ausweitenden Euro-Staatsschuldenkrise und der entsprechenden Reaktion der Notenbank nach. Heraus kam ein "Gleichgewicht des Schreckens", also eine scheinbare Kursstabilität zwischen Euro und US-Dollar bei gleichzeitiger Abwertungstendenz gegen weniger inflationsgefährdete Währungen (Gold, AUD etc.).

Dieses Gleichgewicht ist seitdem Schuldenschnitt Griechenlands und erst recht seit den Wahlergebnissen in Frankreich und Griechenland vom letzten Wochenende zunehmend gestört und es droht eine Abwertungswelle des Euros (zur sentimenttechnischen Einordnung siehe letztes sentix-Weekly).

Der Schuldenschnitt Griechenlands hat nicht nur die Einstellung der Anleger zu Staatsanleihen berührt, sondern wirft generell Fragezeichen für Bürger und Investoren auf, wie es der Euroraum mit Vertragstreue und Eigentumsrechten zu halten gedenkt. Es ist zwar einerseits einleuchtend und wahr, dass Griechenland nicht mehr in der Lage war und ist, seine Schulden zu bedienen. Doch in diesem Fall hätte es einen harten Schuldenschnitt geben müssen, der alle Gläubiger betrifft und nicht Ausnahmetatbestände für die "Rettungsgläubiger" und die EZB schafft. Ein solcher harter Schuldenschnitt würde Konsequenzen nach sich ziehen, da ein Verbleib Griechenlands im Euro nicht möglich ist, sofern Griechenland die öffentlichen Gläubiger derart schädigen würde wie es bei einem harten Schuldenschnitt der Fall wäre.

Denn Griechenland ist erheblich bei öffentlichen Gläubigern verschuldet, über die Rettungspakete, Anleihen in EZB-Besitz und die Target 2-Problematik. Diese Konsequenz wollte man (bisher) im Euroraum nicht ziehen und wählte stattdessen einen Akt der willkürlichen, schamlos auch noch als "freiwillige Beteiligung" titulierte Enteignung privater Gläubiger. Dies zeigt deutlich, zu was europäische Politik fähig ist, wenn sie nur genug in die Defensive gedrängt ist.

In diesem Zusammenhang ist es gerade zu grotesk, wie die Schuldfrage im Griechenland-Debakel derzeit, unter Duldung der Mainstream-Medien, umgewidmet wird. So ist der einfache Grieche völlig unschuldig. Das fast jeder zweite Grieche am Tropf des Staates hängt und damit fast jede Familie in irgendeiner Weise begünstigt wurde, geht dabei zunehmend unter. Es sind die griechischen Wähler, die ihrer Verantwortung in den letzten 20-30 Jahren nicht gerecht wurden. Sie haben das politische System, welches die Krise erzeugt hat, an der Wahlurne gestützt. Und das griechische Volk ist selbst jetzt noch nicht in der Lage, einen harten Schnitt und einen Bruch mit der Vergangenheit zu vollziehen. Wenn PASOK und Nea Demokratia zusammen noch immer fast 40% der Stimmen erhalten haben, dann ist dies ein bedenkliches Zeichen. Wenn der Rest extrem links oder rechts wählt, wo ebenfalls die Verantwortung für das Desaster verweigert wird, dann sagt das den Rest! Es tut weh, aber Griechenland braucht einen kompletten Reset und hierzu muss ein Leidensdruck aufgebaut werden.

Die ökonomische Realität wird Europa zur nächsten Weichenstellung zwingen. Denn das Griechenland-Problem ist keineswegs gelöst und das absehbare politische Chaos in Athen wird die finale Konsequenz Euro-Austritt wohl doch noch heraufbeschwören. Die Euro-Zone kann Griechenland nicht im Euro halten und die Folge wird sein, dass doch noch die bereits erheblichen Eventualverbindlichkeiten, die unsere "Rettungspolitiker" eingegangen sind, zu realen Verlusten werden. Dies kann die noch vorhandene Mehrheitsmeinung "Pro Euro-Rettung" in den nördlichen Geberländer empfindlich schwächen!

Bis dahin werden weiter die bösen Märkte von Politikern und Medien dämonisiert. Das letztlich mehr oder weniger alle Bürger, direkt oder indirekt über ihre Lebensversicherungen und Pensionsansprüche, diese Märkte repräsentieren, scheint der johlenden Masse nicht bewusst zu sein. Wenn also durch allerlei neue Steuern und Einschränkungen die Märkte in die Schranken verwiesen werden sollen, trifft dies nicht nur Heuschrecken und Banker, sondern es ist gleichsam ein Angriff auf Demokratie, Meinungsfreiheit und das Recht auf Eigentum der Bürger Europas! Die Märkte sind die letzte verbliebene Instanz der Freiheit und der ökonomischen Vernunft. Sie zu zerstören, in dem man ihnen "den Mund verbietet" und die Preise lenkt, heißt Freiheit und Demokratie in Europa zu zerstören.

Die Inflexibilität der Eurozone, die wirtschaftliche Zwangsjacke die um die Euro-Länder gehüllt ist, verstärkt die Fliehkräfte in Europa. Die politischen Risiken nehmen zu, die Willkür-Akte und die hilflosen Rettungsversuche der Politik dürften immer abstruser werden und mehr und mehr an den Grundfesten der Gesellschaften in Europa rütteln. In einem solchen Umfeld muss der US-Dollar geradezu als Investitionsobjekt einladen. Nicht, weil dort die Lage wesentlich besser wäre. Sondern weil dort Politik und Notenbank an einem Strang ziehen. Der ist zwar auf eine Abwertung des Dollars und Inflationierung ausgerichtet, aber gegenüber dem Euro-Chaos in seiner Wirkung wenigstens berechenbar!

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