11 November 2012
Merkwürdige Ideen kursieren durch den Blätterwald. Die neueste Idee: Ein Schuldenerlass durch die Notenbanken könnte die Lösung für überschuldete Staaten bedeuten. Ist der Weihnachtsmann doch auch der Osterhase?
Sogar die alt-ehrwürdige FAZ diskutiert das Thema und verschafft diesem "ökonomischen" Gedanken damit sogar so etwas wie Anerkennung. Worum geht es?
Die japanische, die britische und die amerikanische Notenbank haben in den letzten Jahren in großem Stil Staatsanleihen ihrer Länder aufgekauft. Diese sind erheblich verschuldet und es wird nach Wegen für eine Schuldenreduzierung gesucht. Die Idee ist nun, dass man doch die Staatsanleihen bei der Notenbank einfach gegen die Schulden des Staates aufrechnen und damit die Schulden des Staates tilgen könnte. Schließlich gehört die Notenbank ja dem Staat. Die Logik dahinter: wenn dem Staat die Notenbank gehört dann gehören ihm ja eigentlich die Staatsanleihen im Bestand. Er schuldet sich damit defacto selbst das Geld, man könnte das doch gegeneinander aufrechnen.
Das ein solcher Vorschlag überhaupt diskutiert wird, zeigt den immensen Unsachverstand in weiten Kreisen der Öffentlichkeit. Würde man auf diesem Weg Staatsschulden "nebenwirkungsfrei" abbauen können, gäbe es wohl keine Staatsschulden mehr. Es gäbe wohl auch keinen Euro, denn kein Land der Erde würde seine Notenbank für ein Gemeinschaftsprojekt aufgeben, wenn es eine so trickreiche Behörde kontrollieren könnte, die Staatsschulden verschwinden lassen könnte - also aus Stroh Gold spinnen könnte.
Meine Herren von FAZ und Co.: die Idee ist absoluter Blödsinn und bedarf eigentlich keiner seriösen Betrachtung. Aus einem simplen Grund: weil man dann ja gleich das Geld für wertlos erklären könnte!
Woher stammen denn die Staatsanleihen im Besitz der Notenbanken? Sie wurden von privaten Investoren gegen die Ausgabe von neuen Banknoten (bzw. Giralgeld) gekauft. In einem früheren Blogbeitrag habe ich ausgeführt, dass sich eine Staatsanleihe von einer Banknote nur darin unterscheidet, dass erstere einen Zins zahlt und eine feste Laufzeit hat. Die Notenbank hat also mit ihrem Erwerb von Staatsanleihen eigentlich nur einen Tausch und damit eine Fristentrtansformation durchgeführt. Die Notenbank verfügt zwar als "Asset" in ihrer Bilanz über dem Vermögensgegenstand Staatsanleihe, gleichzeitig wurde aber durch die dazu notwendige Geldschöpfung auch eine Verbindlichkeit begründet. Würde die Notenbank also die Staatsanleihen "aufrechnen" (was einer Abschreibung der Anleihen gleich käme), entstünde entweder eine Deckungslücke in der Bilanz, welche der Staat ausgleichen müsste (wozu er neue Schulden aufnehmen müsste) oder aber das im Umlauf befindliche Geld ist weniger wert (= Inflation).
Die Idee der Aufrechnung würde also einen erheblichen Vertrauensschaden bei den Bürgern und einen sofortigen Inflationsschub auslösen. Will man eine schockartige Inflation erzeugen, hätte man hier einen Weg. Pikant: Würde der Staat seine Schulden für wertlos erklären, ohne dass die Notenbank diese angekauft hätte, entstünde im Übrigen kein inflationärer Schock, sondern in diesem Fall würde es einen deflationären Schock auslösen. Denn die Geldmenge wäre nicht aufgebläht, sondern den (unveränderten) Verbindlichkeiten des Privatsektors stünden augenblicklich niedrige Vermögensgegenstände gegenüber. Es käme zu einer deflatorischen Kontraktion der Bilanzen, da weitere Forderungsverluste im Privatsektor die Folge wären. Die Verlagerung von Staatsschulden vom Privatsektor zur Notenbank ist deshalb in einer Kreditkrise auch immer gleichbedeutend mit einer grundsätzlichen Verschiebung vom Deflations- zum Inflationsrisiko!