01. Juni 2012
Dr. Thomas Mayer, inzwischen ehemaliger Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, hat den Vorschlag unterbreitet, Griechenland durch die Einführung einer Parallelwährung zu stabilisieren. Nachfolgend eine kritische Betrachtung dieser Idee. Zudem wage ich einen besonderen Blick auf unsere Anleihemärkte!
Auf den ersten Blick hat die Idee der Einführung einer Zweitwährung Charme. Die Griechen bezahlen ihre Beamten und ihre Rechnungen statt mit Euros mit Schuldscheinen. Durch die starke Verwendung der Schuldscheine durch den Staat und einen Annahmezwang würde dieses Zweitgeld schnell den Weg in die Wirtschaft finden, so die Theorie. Die Wirkung dieses Geldes kann aber bereits jetzt schon beobachtet werden! Denn es existiert schon längst dieses Zweitgeld in Form griechischer Staatsanleihen. Und dessen Wert wird derzeit mit 15% auf 100 notiert und rumgereicht wie heiße Ware.
Ein solches Zweitgeld würde nur äußerst ungern angenommen werden und die Zirkulationsgeschwindigkeit dürfte sehr hoch werden. Zudem wird der griechische Staat seine Beamten, welche ja den Betrieb aufrechterhalten sollen, dadurch zu beruhigen suchen, dass er die Ausgabe der Schuldscheine erhöht. Die Nennwerte dürften zügig nach oben geschleust werden. Solange aber keine grundlegenden Reformen greifen und defacto der Euro "im Raum" bleibt, wird der "GEuro" kein Aufbewahrungsmittel, sonden wie gesagt schnell zirkulieren.
Hohe Umlaufgeschwindigkeit und eine inflationäre Ausgabepolitik lassen erwarten, dass der GEuro binnen kürzester Zeit zur Hyperinflation neigen wird!
Zudem steht nicht zu erwarten, dass eine Parallelwährung die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands verbessern würde. Denn griechische Exporteure würden ihre Waren nach wie vor in Euro verkaufen wollen, allenfalls Teilbeträge in der Parallelwährung akzeptieren. Um den Exportsektor zu beleben, wird es deshalb zumindest einige Zeit benötigen, bis Erfolge sichtbar werden. Umgekehrt sind auf der Importseite keinerlei Entlastungen zu erwarten, da die einzuführenden Waren immer in harten Euros zu bezahlen wären. Ohne eine Art von "Wertgarantie" (z.B. der EU) für die Parallelwährung wird es nicht funktionieren. Wie gut eine solche Garantie angenommen würde, sieht man jedoch erneut bei den griechischen Staatsanleihen: obwohl Griechenland unter einem "Rettungsschirm" steht, verfällt der Wert des Schuldscheins. Und da die Krisenländer allesamt hohe Handelsdefizite aufweisen, wird die fehlende Wirkung auf den Außenhandel ein solches Experiment zum Scheitern verurteilen.
Weitere Parallelwährungen
Ich möchte betonen, dass wir eigentlich schon längst Zweiwährungen haben. Denn die jeweiligen lokalen Anleihemärkte im Euroraum stellen jeweils eine Zweitwährung dar!
In einem Land wie den USA unterscheiden sich die Banknoten von den Staatsanleihen nur in einem Detail: die Anleihen haben eine Laufzeit und verbriefen einen laufenden Zinsanspruch. Die Banknote hat defacto eine Laufzeit und einen Zins von 0. Deshalb muss einem Anleger auch nicht bange sein, ob sein Investment in eine US-Staatsanleihe zurückgezahlt wird. Der US-Staat kann immer die Rückzahlung gewährleisten, da er seine Anleihen, die bei Fälligkeit ja auch eine Laufzeit von 0 haben, gegen Banknoten zu tauschen. Offen ist der Wert dieser Noten, gemessen an Sachgütern oder anderen Währungen.
Wenn also Anleihen und Noten eigentlich dasselbe sind, ist jede Staatsanleihe defacto Geld.
Im Euroraum haben wir aber nun die interessante Situation, dass wir viele Staatsanleihen unterschiedlicher Qualität haben, die durch die Banknote Euro verbunden sind. Gilt die No-Bailout-Klausel, dann können per definitionem die Bundesanleihen, der Euro und beispielsweise eine italienische Anleihe nicht das Gleiche sein! Wir haben es deshalb derzeit innerhalb der Eurozone mit einem deutschen Euro, einem österreichischen Euro, einem italienischen Euro ... und einem Euro-Euro zu tun.
Es exitieren also bereits in jedem Land neben dem Euro-Euro lokale Parallelwährungen. Und so muss die Entwicklung der Zinsen für Bundesanleihen auch unter einer anderen Perspektive bewertet werden.
Stellen wir uns vor, der Euro bräche auseinander. Dann stellt sich für jeden Euro-Schuldner oder -Gläubiger die Frage, wie seine Forderung oder Verbindlichkeit im Hinblick auf seine Wunschwährung umgerechnet würden. Gehen wir nun davon aus, dass der günstigste Fall wäre, als Gläubiger ohne Verlust in den deutschen Euro getauscht zu werden. Wie kann ich heute mein diesbezügliches Risiko minimieren? In dem ich schon heute meine Euro-Euros oder meine französischen Euros in deutsche Euros tausche. Und dies bedeutet, deutsche Staatsanleihen zu kaufen, selbst dann, wenn der Zins für 2 Jahre bei 0% liegt. Denn wenn man annimmt, dass der eigentlich angemessene Zins bei sagen wir 2% liegen müsste, beträgt meine Sicherheitsprämie gerade einmal 4%. Ein überschaubarer Betrag.
Jetzt mag man einwenden, dass man doch besser sein Geld auf ein Tagesgeldkonto bei einer Bank in Deutschland bringen sollte. Doch viele Banken mit attraktiven Zinsen sind deutsche Töchter ausländischer Banken. Zudem ist keineswegs gewährleistet, dass die gewählte Bank die "Umstellung" / das Auseinanderbrechen des Euros überleben wird (Imparitätsrisiko)!
Die Entwicklung des Bondmarktes ist deshalb nur noch erklärbar, wenn man die implizit in die Staatsanleihen des jeweiligen Landes eingepreisten Währungsoptionen mitbewertet! Wenn sich diese Erkenntnis bei den Marktteilnehmern durchsetzt, sind durchaus noch weitere Kurskapriolen und Renditerekorde bei Bunds möglich!
Diese Überlegung erklärt auch die jüngst gute Performance österreichischer, niederländischer und selbst belgischer Anleihen. Denn der Markt erwartet, meiner Meinung nach zu Recht, dass diese Länder immer den gleichen Weg wie Deutschland einschlagen werden und zwischen diesen Ländern eine glaubhafte, weil ökonomisch und kulturell fundierte Solidarität zu erwarten ist. In Bezug auf Frankreich teile ich diesen Optimismus weit weniger. Die kulturellen und ökonomischen Differenzen zu Deutschland sind zu groß und der Stolz verbietet ein Verbleib bei den Weichwährungskandidaten. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass Frankreich am Ende, wie Großbritannien, einen eigenen Weg gehen wird. Und diesem Fall halte ich die französischen Anleihen für überbewertet.
Der Euro-Euro
Bleibt die Frage, was mit dem Euro-Euro, der gemeinhin noch als Euro bezeichnet wird, ist. Dieser verliert als Währung in diesem Spiel mehr und mehr an Boden, da seine Grundlagen in Frage gestellt werden und die Transparenz mehr und mehr leidet. Die EZB untergräbt dieses Grundvertrauen durch ihre fragwürdigen Refinanzierungsgeschäfte und das Target2-System, bei dem sich Verbindlichkeiten und Forderungen zwischen Staaten auftürmen und niemand weiß, wann und wie dieses korrigiert werden kann. Nimmt man die Besetzung der geldpolitischen Gremien als Maßstab, dann dominieren dort inzwischen die Tauben bzw. Vertreter der Krisenländer, so dass diese im Zweifel bei der Frage der Rückrechnungskurse immer dafür eintreten, dass die Schulden dieser Länder entwertet würden. Deshalb gehört der Euro-Euro nicht zum Club des deutschen Euro!
Die Tage des Euros, wie wir ihn bisher kennen, sind gezählt und während die breite Bevölkerung noch immer nicht kapiert hat, dass das was passiert auch ihr Problem ist (und nicht nur eine elitäre Diskussion unter Politikern und Bankern. Es betrifft jeden!), bereitet sich das smarte Kapital schon längst auf den Tag X vor. Zumindest managt der "Markt" sein Risiko. Die extrem fallenden Zinsen senden dieses, für den Euro fatale Signal.