DAX-Diskussion: Anker bleibt Anker

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Der DAX hat wieder einmal die Marke von 8.000 Punkten erreicht. Das sentix-Sentiment, also die Erwartungen der Anleger auf Sicht von einem Monat, steigt kräftig. Die Luft in diesen Höhen wird dünner, zumal die 8.000 Punkte für viele Anleger das Signal darstellt, dass der Markt nun definitiv „oben" ist. Dass der DAX tatsächlich umgehend in eine gewisse Atemnot gekommen ist, zeigt innerhalb des sentix-Datenkranzes der Strategische Bias. Dieser stellt die 6-Monats-Erwartungen der Anleger dar, und er ist nun spürbar eingeknickt. Viel mehr als diese „magischen" 8.000 Punkte trauen die Investoren dem DAX derzeit offensichtlich nicht zu. Das haben wir in unserer aktuellen Wochenanalyse so geschrieben. Auch haben wir dort darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Phänomen um den in der Behavioral Finance bekannten „Ankereffekt" handelt: Die Marktteilnehmer haben ihre Erwartungen für DAX-Höchststände an dieser Marke verankert. Denn bisher wurden die 8.000 Punkte zwar schon ein paar Mal, nämlich exakt vor 13 Jahren sowie Mitte und Ende 2007, knapp überschritten – aber danach ging es dann jeweils bald wieder abwärts.

Wichtig zum Verständnis des Ankereffekts ist: Die Zahl, an der Menschen sich mental festhalten, um sich bezüglich der unterschiedlichsten (Ein-)Schätzungen numerisch zu orientieren, kann völlig willkürlich sein. Die Altmeister der Verhaltensökonomie, Daniel Kahneman und Amos Tversky, haben in den 1970er Jahren in Gegenwart von Probanden ein Glücksrad mit den Ziffern 0 bis 100 drehen und diese danach diverse Prozentsatz-Schätzungen abgeben lassen, z.B. zum Anteil afrikanischer Länder in den Vereinten Nationen. Das Ergebnis war, dass sich die Schätzungen signifikant unterschieden, je nachdem, was das Glücksrad anzeigte. Bei hohen Glücksrad-Zahlen waren auch die Schätzungen relativ hoch, bei niedrigen Nummern waren diese entsprechend niedriger. Auch Anker für die Anlegereinschätzungen möglicher DAX-Höchststände entstehen mehr oder weniger zufällig. Hinter der „magischen Marke" von 8.000 muss inhaltlich also gar nichts stehen.

Im Zuge der Diskussion um neue und alte DAX-Höchststände, an denen der Index eventuell erneut abprallt, weisen nun auch Presse wie sentix-Umfrageteilnehmer darauf hin, dass der landläufig bekannte DAX ein Performance- und kein Kursindex ist. Damit träte ohnehin eine Verzerrung auf. Denn in den uns bekannten DAX, also dem Performanceindex, fließen nicht nur die aktuellen Kursstände der dreißig größten deutschen Aktien ein, sondern auch die gezahlten (und vom Aktienkurs abgeschlagenen) Dividenden. Der ähnlich prominente Dow Jones Industrial-Index, der letzte Woche sogar ein neues Allzeithoch erreicht hat, berücksichtigt als reiner Kursindex dagegen keine Dividendenzahlungen. Würde man diese Ausschüttungen dem Dow Jones-Index zuschlagen, stünde er noch viel höher. Umgekehrt bedeutet das für den DAX: Würde man die gezahlten Dividenden herausrechnen, käme er auf ein viel niedrigeres Niveau als 8.000. Er läge jetzt bei nur rund 4350 Punkten – und damit weit weg von seinem Allzeithoch. Das liegt bei 6266 Punkten und stammt vom 7. März 2000.

2013-03-13_DAX-Anker-Blog

Insofern erscheint die kleine Hysterie, die sich nun beim erneuten Erreichen der 8.000er Marke eingestellt hat, tatsächlich fehl am Platze. Ein Blick auf den DAX-Kursindex kann also Anlegern helfen, sich von dem 8.000er-Anker als vermeintlicher Höchstmarke für den DAX 30 mental zu befreien. Denn der Kursindex hat ja noch viel Raum nach oben, bevor er seine alten Höchststände erreicht. Doch an dieser Stelle wird klar: Auch beim Kursindex würde irgendwann das Phänomen alter Hochs, die in den Köpfen der Anleger als Anker für maximal Erreichbares verhaftet sind, auftreten – ganz unabhängig davon, wie sinnvoll ein Kurs- oder Performanceindizes jeweils sein mögen.

An unserer Aussage, dass für die allermeisten Anleger die 8.000 Punkte beim DAX einen Anker darstellen, der auch Konsequenzen für die weitere Kursentwicklung hat, ändert die Konstruktionsweise des Index aber nichts. In den Köpfen der Investoren hat sich die Marke über die Jahre als nur schwer zu erreichendes Ende der DAX-Fahnenstange eingebrannt. Sie hat sich förmlich zementiert, weil alle – die breite Öffentlichkeit, die Medien, die Investoren selbst – auf diesen Index schauen, ganz unabhängig davon, was in ihm steckt. Deshalb ist und bleibt der 8.000er-Widerstand ein ganz besonderer. Ergo (und das hört sich fast an wie in einer Hamburger Hafenkneipe): Anker bleibt Anker – da hilft auch kein Dividendenstripping!

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