20. November 2011
Die europäische Schuldenkrise schreitet voran. Der Markt diskutiert ob ein Eingreifen der europäischen Zentralbank unabwendbar ist. Was klar ist: eine Fortsetzung der halbherzigen und letztlich unwirksamen Rettungspolitik der letzten Monate wird zunehmend unwahrscheinlicher. Der Markt fordert die Akzeptanz ein.
Investmentzyklus
Wir unterteilen bei sentix einen Investmentzyklus in unterschiedliche Phasen. Ein Abwärtszyklus besteht aus den drei Hauptphasen "Leugnen", "Erkenntnis" und "Kapitulation / Akzeptanz", die von den Zwischenkorrekturen "Hoffnung" und "Galgenfrist" unterbrochen werden.
In Sachen europäischer Schuldenkrise sind sowohl die Zeiten des Leugnens, als auch der Erkenntnis inzwischen beendet. Für die Banken als wichtige Beteiligte des Spiels hat unzweifelhaft die Phase der Kapitulation begonnen. Wurden zunächst nur die Anleihen von Portugal, Irland oder Griechenland auf die internen Verbotslisten gesetzt, hat nun ein aktiver Bereinigungsprozess im Staatsanleihensegment begonnen, der vordergründig das Ziel hat, Risikokapital freizusetzen um die Kapitalanforderungen, welche an die Banken 2012 gestellt werden, so zu erfüllen, dass nur geringe Kapitalerhöhungen vorgenommen werden müssen.
Denn dieses frische Kapital, welches zuzuführen wäre, ist bei den derzeit gedrückten Kursen der Bankaktien extrem teuer. Von der Bereinigungswelle sind jedoch schon lange nicht mehr nur die Anleihen der Problemländer erfasst. Inzwischen geht die Verkaufswelle sogar deutlich über die Gruppe der mal als PIIGS, mal als GIPS bezeichneten Anleihemärkte vorbei. Die enormen Verwerfungen, die inwzischen sogar dazu führen, dass niederländische und finnische Anleihen gegenüber Bunds unter Druck geraten, zeigen, dass hier die klassischen Kräfte der Kapitulation am Werke sind, die zwar den Preis eines Assets, nicht aber mehr seinen Wert in den Handlungen berücksichtigen.
Dieser Kapitulationstrade führt aber nochmals zu mehr Druck im System und erzeugt in der Politik ebenfalls ein Anpassungsdruck zur Akzeptanz. Am Ende wird es nicht mehr das "Grau" sein können, welches die derzeitige Politik dominiert. Dieses Grau zeigt sich darin, einerseits finanzpolitische Austerität zu fordern, andererseits die Wachstumskräfte fördern zu müssen. Es zeigt sich in dem Wunsch, den Euro und Europa zu einen und andererseits nicht durch Hilfspakete falsche Anreize an die Schuldner zu senden und die Kluft zwischen Rettern und zu Rettenden weiter zu vergrößern.
Dieser Spagat kann nicht mehr länger aufrecht erhalten werden. Es sind solche, auf Dauer ökonomisch unhaltbare Widersprüche, welche die Märkte herausfordern. Es ist deshalb das Ziel des Marktes und der laufenden Markttrends genau diese Unmöglichkeit solange zu stressen, bis am Ende Akzeptanz und eine Auflösung der Widersprüche steht.
Welche Akzeptanz ist gemeint?
Die Offiziellen in Politik und den Notenbanken müssen erkennen, dass die laufende Politik nicht fortgesetzt werden kann und am Ende nur eine Lösung "schwarz" oder "weiß" die laufende Krise beenden kann. Dabei stehen die Töne nicht für einen aus unserer Sicht "positiven" oder "negativen" Ausgang, nur für eine eindeutige Haltung zu der Krise.
Die beiden Lösungsvarianten sind dabei so einfach wie konsequent aus der bisherigen Politik und den ökonomischen Notwendigkeiten abzuleiten:
- Wenn schon Rettung, dann richtig: Euro-Bonds, ein unlimitierter EFSF oder aber definierte Zinsobergrenzen für Staatsanleihen durch die EZB beenden mit einem kraftvollen Signal die Staatsanleihekrise und signalisieren gleichzeitig: "jetzt sitzt die gesamte Euro-Zone in einem Boot". Der Preis ist ein Einstieg in die Monetarisierung der Staatsschulden, ein unmittelbares Nachlassen des Konsolidierungsdruckes in den überschuldeten Ländern und der Anfang vom Ende der bislang von der deutschen Regierung postulierten "Stabilitätsunion".
- Wenn man Variante 1 nicht will, muss man die laufende Rettungspolitik sofort einstellen. Die Verluste sind zu beziffern und zu tragen. Ein Ende mit Schrecken, welches aber auch den Preis erheblicher poltischer Verwerfungen nach sich ziehen dürfte.
Gibt es keinen Zwischenweg?
Nein, denn eine Fortsetzung der laufenden Rettungspolitik wird unweigerlich am Ende zu Variante 1 führen und dies ergibt sich aus den Statuten der EZB und dem automatischen Zahlungsbilanzausgleich zwischen den Euro-Staaten. Wenn unsere Überlegung richtig ist, dass die derzeitige Rettungspolitik der Treibsatz hinter der immer sichtbarer werdenden Ansteckungseffekte ist, dann bedeutet ein Zuwarten eine Förderung der Kapitalflucht aus den Peripherieländern in den Kern - oder genauer gesagt wohl nur noch nach Deutschland. Die Bundesbank wird damit automatisch zum "lender of last ressort" und baut enorme Forderungen gegenüber den anderen Euro-Staaten auf. Diese werden irgendwann so groß sein, dass ein Abbruch der Rettungspolitik mit Hinweis auf die untragbaren Abschreibungserfordernisse bei der Bundesbank unterbleiben muss. Dies ist praktisch Variante 1, alle sitzen in einem Boot.
Die Märkte erzwingen also eine eindeutige Lösung der Schuldenkrise. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die ökonomischen Realitäten so massive Effekte erreicht haben, dass diese Akzeptanz zur zwingenden Notwendigkeit wird. Die derzeitigen Markttrends würden bei einer Fortsetzung so große Verwerfungen erzeugen, dass die ökonomische Realität "untragbar" wird.
Wir stehen vor einer historischen Zäsur, in Politik, Gesellschaft und an den Märkten. Eine solche Zäsur wird auch ein historisches Event für unsere Portfolien werden. Da der Ausgang des Spiels zwar eindeutig, aber diametral entgegengesetzte Wirkungen entfalten dürfte, war ein Investment an den Märkten selten zuvor so unsicher. Diese Unsicherheit, das zeigen die sentix Daten, ist bei den meisten Anlegern bereits Realität.