15. August 2017
Was denken sich eigentlich die Leute, wenn sie in Bitcoin investieren? Ist es die Suche nach dem ultimativen, alternativen Geld? Einige, die ihr Geld vermeintlich in Bitcoin investieren, glauben sicherlich an die Idee des manipulationssicheren, inflationsfreien Alternativ-Geldes. Doch bei den allermeisten dürfte es sich inzwischen um nichts anderes als blanke Gier handeln.
Seit unserem letzten Blog zum Thema, das war am 9. Mai diesen Jahres, hat sich der Preis von Bitcoin erneut verdoppelt! Die Kursentwicklung beschleunigt sich also gerade wieder einmal atemberaubend. Dabei ist dies noch nicht einmal die ganze Wahrheit, denn durch eine Aufspaltung von Bitcoins in "alte" und "neue Bitcoin Cash", hat sich zusätzlich eine wundersame Wertvermehrung ergeben. Zwei Crypto-Bitcoins sind halt mehr wert als einer! Ist dadurch unser Blog bereits als Unsinn entlarvt? Mitnichten. Vielmehr zeigen sich alleine in den letzten drei Monaten noch mehr Anzeichen dafür, dass es sich um ein außer Rand und Band geratenes Spekulationsobjekt handelt, welches schon heute die Tulpen-Manie des 17. Jahrhunderts wie eine Amateurveranstaltung aussehen lässt. Niemand, auch ich nicht, sollte ausschließen, dass diese Blase noch sehr viel weiter steigen kann, bevor sie platzt. Dass es sich um eine Blase handelt, deren Ende schon heute feststeht, daran kann kein Zweifel bestehen. Doch der Reihe nach.
Fehler Nr. 1: "Sie halten Bitcoins für eine Investition"
Anleger, die Bitcoins erwerben, glauben, in eine alternative Währung zu investieren. Doch tatsächlich erwerben sie "digitale Assets" von einer anderen Person. Jeder Euro, den der Käufer aufwendet, fliesst nicht in den Bitcoin und erhöht dort so etwas wie einen intrinsichen Wert. Diese Euros wandern direkt zu dem Verkäufer. Durch die Knappheit des Angebotes bei gleichzeitiger spekulativer Zunahme der Nachfrage springen die Preise nach oben. Die Preise wohlgemerkt, nicht der Wert!
Dieser Mechanismus ist identisch mit einer Aktienmarkt-Spekulation. Durch den Erwerb einer Aktie tauscht der Anleger Aktien gegen Geld. Das zugrundeliegende Unternehmen hat durch die Transaktion unmittelbar keine Werterhöhung erfahren, nur eine Preiserhöhung. Preis und Wert können sich in diesem Fall entkoppeln. Was die Kurse treibt, sind spekulative Feedback-Schleifen - die Kurse treiben die Nachfrage, die aufgrund der Knappheit wiederum die Kurse treibt.
Doch während eine Aktiengesellschaft, deren Aktien in schwindelerregende Höhen steigt, wenigstens irgendwann durch die hohe Bewertung beispielsweise eine Übernahme von Konkurrenten im Wege des Aktientausches finanzieren kann oder durch die Ausgabe neuer Aktien zu Geld und damit Investitionsmitteln kommt, ist dies bei Bitcoins konzeptbedingt nicht möglich.
Hierin zeigt sich auch ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Währungen: es fehlt völlig der Bezug zur realen Welt. Wenn ein Investor vom Euro in den US-Dollar wechselt, erhöht er defacto die US-Geldmenge, sofern der Kauf nicht durch die Notenbank "sterilisiert" wird. Dieser Kapitalfluss beeinflusst realwirtschaftliche Güterströme. Ein starker Anstieg oder Fall des Wechselkurses hätte realwirtschaftliche Konsequenzen für beide "Währungsräume", weshalb sich Gleichgewichtspreise einstellen und wilde Spekulation eingedämmt wird.
Nichts so bei Bitcoin und anderen Cryptos. Da hier nur der Preis eines virtuellen Assets ohne jede Realbindung durch die Transaktion beeinflusst wird, besteht überhaupt kein Zusammenhang zur realen Welt. Durch den Kauf eines Bitcoins verändert sich die Geldmenge der abgebenden Währung nicht, allenfalls findet im Hintergrund eine Verschiebung zwischen klassischen Währungen statt, wenn beispielsweise der Käufer mit Euro bezahlt und der Verkäufer US-Dollar erhält. Für einen Kapitaltransfer von Euro nach US-Dollar braucht es aber weder Bitcoins, noch die damit einhergehende Preissteigerung des Mediums Bitcoin!
Crasht eines Tages der Bitcoin, wird kein Wert vernichtet. Es wird etwas Virtuelles seinem wahren Wert zugeführt. Echtes Geld wäre hiervon nicht betroffen, nur die Menschen, die ihr hartverdientes Geld in der Spekulation verloren haben.
Fehler Nr. 2: "Zwei sind mehr Wert als einer"
Vor ein paar Wochen kam es zu einer Aufspaltung von Bitcoins, weil sich die "Community" nicht darauf einigen konnte, wie man das Protokoll so weiterentwickeln könnte, dass Bitcoins irgendwann vielleicht einmal als Zahlungsmittel taugen könnten. Denn die Zeit für eine Geschäftsbestätigung sind, wie die Kosten einer Bitcoin-Transaktion, viel zu hoch, als dass man mit Bitcoins hätte zahlen können. Auch wenn immer anderes behauptet wird.
Es gab also plötzlich über Nacht zwei BC. In der Analogie anderer Anlagen kommt der Vorgang einer Aufspaltung einer Aktiengesellschaft bzw. Abspaltung eines Unternehmensteils gleich. Dies führt in der realen Welt normalerweise dazu, dass der Kurs der alten Gesellschaft um den Wert des abgespaltenen Teils gemindert wird. Nicht so natürlich bei BC! Hier wurden alle Inhaber über Nacht einfach mit einer neuen Crypto-Währung beschenkt. Die "Inflation des Underlyings" führt also zu einer Wohlstandsmehrung aus dem Nichts. Das alles sind natürlich keine Anzeichen spekulativer Überhitzung ...
Fehler Nr. 3: "Parabolische Kursentwicklung sind Zeichen der Stärke"
Nichts ist für einen Spekulanten schöner, als wenn steigende Preise neue Käuferschichten anlocken! Je knapper das Gut, desto schöner steigen die Preise. Hinter diesem Phänomen steckt simple, blinde Gier. Auf dem Technologie-Portal T3N kann man unter http://t3n.de/news/bitcoin-schwarzer-schwan-846711/ sehr schön nachlesen, wie die "Sirenen der Spekulation" das Hirn vernebeln.
André Kostolany brachte es schon vor Jahrzehnten auf den Punkt: Bei der Spekulation, ob in Aktien oder in Bitcoin, geht es immer darum, ob es mehr Anlageobjekte als Dumme oder mehr Dumme als Anlageobjekte gibt. Da die Zahl der Bitcoins feststeht, die Dummheit der Menschen aber grenzenlos ist, ist leicht auszumalen, wohin die Preise sich noch entwickeln können. Doch Preis ist, was man zahlt. Wert ist, was man bekommt.
Ein ebenso abstruses Beispiel für ausufernde Spekulation liefern die immer zahlreicher werdenden Geschäftsmodelle, die auf Bitcoin basieren. So kann man seit einigen Monaten an der deutschen Börse Aktien des Unternehmens Bitcoin Group SE handeln. Diese Firma betreibt die Handelsplattform bitcoin.de in Deutschland. 5 Mio. Aktien gibt es von diesem Unternehmen, welches eine Marktkapitalisierung von inzwischen mehr als 100 Mio. Euro erreicht hat. Der Streubesitz, also die frei handelbaren Anteile, belaufen sich auf rund 20% des Grundkapitals, also ca. 1 Mio. Aktien. Bei einem Tagesumsatz von 1,6 Mio. Aktien (Stand 11.08.2017) wurde also an einem Tag die 1,6fache Menge der frei verfügbaren Aktien gehandelt! Mehr Dumme als Aktien eben.
Parabolisch steigende Kurse waren jedenfalls in der Menschheitsgeschichte noch nie Anzeichen einer fundamental gesunden Entwicklung. Und auch wenn die Jünger des Bitcoins glauben, damit die Welt der Währungen aus den Angeln zu heben: Die Welt der menschlichen Anlagefehler oder der ökonomischen Grundgesetze ist unveränderlich.
Fehler Nr. 4: "Bitcoin ist nicht Blockchain"
Wie wir bereits in früheren Blogs ausgeführt haben, sehen wir in der Blockchain-Technologie sehr wohl eine werthaltige Entwicklung mit Zukunftspotenzial. Nicht so bei den abgeleiteten Cryptos, von denen wir bei keinem der derzeit vorhandenen Instrumente davon ausgehen, dass sie irgendwann zu einem legalen, vollwertigen gesetzlichen Zahlungsmittel avancieren werden.
Die Dienstleister rund um den BC profitieren natürlich in erheblichem Umfang von der spekulativen Aktivität und den Preissprüngen. So verfügt beispielsweise die Bitcoin Group gem. eigenen Angaben über umfangreiche Eigenbestände, die derzeit aufgewertet werden (aber dennoch kaum die enorme Marktkapitalisierung rechtfertigen). Es zeigen sich immer deutlichere Anzeichen, dass die Spekulation auf andere Bereiche überspringt und alles, was sich irgendwie nach Blockchain und Bitcoin anhört, in den Sog der spekulativen Übertreibung gerät. Diese Entwicklung gleicht in fataler Weise dem Internet-Hype der Jahre 1998-2001, als man nur dot.com rufen musste um die Anleger in schiere Verzückung zu versetzen. Das Ende ist bekannt.
Eine Ursache für diese Entwicklung liegt darin begründet, dass weder alle Crypto-Währungen noch alle Blockchain-Dienstleister am Ende bestehen werden. Doch jeder Investor glaubt, dass seine Crypto-Währung bzw. sein Investitionsobjekt Aussichten auf Erfolg hat. Das wiederum führt dazu, dass der ganze Markt viel zu hoch bewertet wird. In der Wissenschaft ist dieses Phänomen als "base rate / case rate" Anomalie bekannt.
Aber wie schon bei der Internetblase, wird es am Ende nur wenige Sieger geben. Auch bei Crypto-Währungen gilt die Internetformel des "winner takes all" Prinzips, wobei es bei den Cryptos unseres Erachtens nach einen Sieger geben wird, der heute noch gar nicht existiert und höchstwahrscheinlich von einer staatlichen oder quasi-staatlichen Authorität ausgegeben und verwaltet wird.
Fazit
Je weiter der Hype um Bitcoins und Blockchain voranschreitet, desto offensichtlicher wird der spekulative Charakter und die absurde Fehlbewertung, die durch die Gier der Anleger entsteht. Das schließt nicht aus, dass diese Spekulation noch ganz andere Blüten treiben wird. Sie ist ohnehin schon heute die absurdeste Spekualtion der Menschheitsgeschichte - weitere Rekorde nicht ausgeschlossen. Das darf jedoch den Blick auf das Wesen der Spekulation und deren Risiken nicht trüben. Zwischenzeitlich wird es viele Gewinner geben, die diese Spekulation hervorbringt. "Erfolgsgeschichten" von sogenannten "early adoptors" sind das Salz in der Suppe, welches die Spekulation anheizt. Doch am Ende gibt es viele, sehr viele Verlierer.
Einen anderen Standpunkt ...
... zum Thema liefert die ARD im Weltspiegel. Für den Behavioristen ist es allerdings eine weitere Bestätigung des Hypes.