13. Juli 2012
So langsam geht selbst dem engagiertesten Blogger die Kraft aus. Gegen das immer größere Ausmaß an ökonomischer Dumm- und Blindheit mag man einfach nicht mehr anschreiben. Dabei ist genau jetzt Aktivität gefragt. Denn das unabwendbare ökonomische Schicksal der Eurozone gefährdet im Überlebenskampf des Euro mehr und mehr Freiheitsrechte und demokratische Prinzipien. Die „financial repression" nimmt konkrete Formen an – befeuert von „Experten".
Sachverständige sollen sich eigentlich durch Sachverstand auszeichnen. Dies gilt für die „dismal science" der Wirtschaftswissenschaften jedoch nur eingeschränkt. Stehen die befragten Ökonomen dann auch noch im Dienste unserer Politikerkaste, man nennt sie dann Sachverständigenrat der Bundesregierung, wird der Sachverstand mehr oder weniger bewusst ausgeschaltet.
Anfang der Woche meldeten sich just diese Experten zu Wort. Sie warnen vor einem Kollaps des Euros. Das kann man gut verstehen, dazu bedarf es jedoch keiner Experten. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung teilt diese Befürchtung schon seit dem Start des Euros. Beachtenswerter sind einige andere Äußerungen. So warnen die Ökonomen davor, dass der Austritt eines Landes eine Kettenreaktion und damit den kompletten Verfall der Eurozone bewirken könnte.
Warum ist eine solche Ansteckung überhaupt zu erwarten? Gäbe es einen starken politischen Willen, ein solides ökonomisches Fundament der Teilnehmerstaaten und ein gemeinsames fiskalischen Grundverständnis, wäre eine solche Ansteckung alles andere als zwingend. Im Gegenteil: die „Bereinigung" des Währungsgebietes von Teilnehmern, die das gemeinsame Grundverständnis nicht teilen, würde die Stabilität des Währungsgebietes erhöhen! Kein Wort davon findet sich aber im „ökonomischen Gutachten". Politik, Währung und Wirtschaft lassen sich jedoch nicht trennen.
Aber die vom Sachverständigenrat befürchteten Ansteckungseffekte existieren tatsächlich. Hervorgerufen werden sie neben dem Fehlen der oben beschriebenen Voraussetzungen auch durch eine völlig fehlkonstruierte Rettungspolitik. Die sogenannten Rettungsschirme sind Brandbeschleuniger, da die Rettungslasten letztendlich auf viel zu wenigen Schultern ruhen. In dem Maße wie große Länder wie Spanien, Italien und letztlich auch Frankreich als Geber ausfallen, wir die Überforderung des Rests offensichtlich – und unhaltbar. Die Rettungspolitik hat die Fragilität des ohnehin brüchigen Euro-Währungsgebietes nochmals beträchtlich erhöht. Und was fragil ist, wird von den Märkten auf das Äußerste strapaziert. „fragile – handle with care" steht deshalb auf vielen Paketen mit zerbrechlichem Inhalt. Die Bazookas von Notenbanken und Politik wirken eher wir der Elefant im Porzellanladen. Und deshalb wird kaputtgehen, was fragil ist.
Ein weiteres „Argument" der Experten ist, dass Deutschland sich einen Euro-Kollaps nicht leisten könnte. Schließlich stünden die Krisenländer bei Deutschland bereits mit rund 3,3 Billionen (!) Euro in der Kreide. Diese würden wohl bei einem Austritt größtenteils ausfallen. Deshalb müsse Deutschland noch mehr für diese Länder zahlen! Was für ein Unsinn!!
Sind die Krisenländer tatsächlich schon so geschwächt, dass „große Teile" verlorengingen, dürfte man erst recht nichts mehr zahlen. Wer, außer „ökonomisch Sachverständige", wirft schon schlechtem Geld gutes hinterher? Die Verschuldungssituation eines überschuldeten Kreditnehmers hat sich noch nie dadurch verbessert, dass man dessen Verschuldung erhöht hat. Zudem lässt dieses Argument eine Austrittsoption unbeachtet, nämlich die eines Austritts Deutschlands (gemeinsam mit dem ehemaligen D-Mark-Block plus Finnland). Als „Geschenk" würde Deutschland auf einen Streit um die Denominierung der Schulden der Resteurozone verzichten. Sprich: Spanien, Italien & Co. wären in einem abwertenden Euro verschuldet. Deutschland würde also Währungsverluste hinnehmen müssen. Die wären allerdings um Längen kleiner, als der derzeitige Rettungswahn, bei dem am Ende substantielle Teile aller Euro-Staatsschulden an wenigen Geberländern hängen. Ballast, der auch die Starken am Ende in den Abgrund zieht.
Doch eine solche Option wird gar nicht erst erwogen. Das Dogma, dass der Euro nicht scheitern dürfe, verhindert die Suche nach funktionierenden Lösungen.
Zwangsmaßnahmen
Doch es geht noch besser! Neueste Erfindung eines staatlich finanzierten „think tanks" ist das Instrument der Zwangsanleihe. Man könnte auch Vermögensabgabe dazu sagen. „Reiche", wer immer das sein mag, kommen in den Genuss eines staatlich verordneten Anlagevorschlags, der in einer Enteignung münden soll. Das DIW hat diesen Vorschlag doch tatsächlich auch für Deutschland gemacht. Statt eines Aufschreis der Empörung berichtete das „heute journal" in überraschender Nüchternheit über das Pro und Contra der Idee, gerade so, als wäre eine Zwangsanleihe das Normalste auf der Welt.
Dabei ist das Instrument ein Zeichen äußerster politischer Krise und Not. Dieses Instrument diente der Finanzierung völkervernichtender Kriege – „Gold gab ich für Eisen" – und ist kaum mit den rechtsstaatlichen Prinzipien eines Staates vereinbar, der auch den Schutz des Eigentums vor Enteignung in seiner Verfassung stehen hat.
Es gibt gute Gründe dafür, die Be-(Reiche)rten der Eurozone an den Lasten zu beteiligen. Aber solche Zwangsbeglückungen dienen nicht der Bereinigung des Systems, sondern der Aufrechterhaltung des Status Quo. Lasst Banken pleitegehen, dass trifft auch vor allem die Reichen, aber diejenigen, die durch ihr Fehlverhalten (Vorstände) und mangelnde Aufsicht (Aktionäre) die Verantwortung hierfür tragen. Erst dann, wenn man dem marktwirtschaftlichen Prinzip der kreativen Zerstörung Raum geschaffen hat zur Korrektur, sind solche „Steuermaßnahmen" zu rechtfertigen, um die Lasten zu verteilen.
Die Eurokrise, die auch eine globale Schulden- und Ökonomiekrise ist, wird mehr und mehr zu einem unkalkulierbaren politischen Risiko. Die Wähler, der eigentliche Souverän, sind aufgerufen, auf die Lösung der Missstände hinzuwirken. Innerhalb des Systems scheint dies nicht mehr möglich. Die Krise wird deshalb wohl mehr und mehr auf die Straße getragen werden. Freiheit, Wohlstand und Demokratie sind in Gefahr. Der Überlebenskampf eines abgewirtschafteten Systems wird seine hässlichsten Seiten ans Licht befördern. Seien wir wachsam und zur Gegenwehr bereit.